Bürgerdialog: „Migration und Flucht: Wie soll die EU handeln?

Was haben wir damit zu tun?“

Foto: Deutsche Gesellschaft e.V.

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Am 12. November 2018 fand im Bürgerhaus in Teltow ein Bürgerdialog zum Thema Migration und Flucht statt. An der Veranstaltung nahmen rund 45 interessierte Bürger und Bürgerinnen teil, die sich rege an der Diskussion mit den Podiumsgästen beteiligten. Die Gäste repräsentierten die Stadt-, Landes- und Europaebene. Diese waren Thomas Schmidt als Bürgermeister von Teltow und gleichzeitig Schirmherr der Veranstaltung, Stephan Ludwig als Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg und Reinhard Hönighaus, Pressesprecher der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Moderatorin des Abends war Vanja Budde, Landeskorrespondentin Brandenburg des Deutschlandfunks.

Die Wohnraumfrage laute nicht „Schaffen wir das?“, sondern „Wie schaffen wir das?“ Vanja Budde eröffnete den Bürgerdialog, begrüßte die Gäste und übergab das Wort anschließend an Thomas Schmidt, der mit dem ersten Einführungsstatement begann. Darin zeichnete dieser ein insgesamt sehr positives Gesamtbild Teltows: Migration sei in Teltow bekannt und unproblematisch. Es gebe ein konstruktives und offenes Zusammenleben und ein hohes Engagement unter Bürgern und Bürgerinnen, sich aktiv in der Flüchtlingshilfe zu beteiligen. Teltow erlebe Höhen und Tiefen in Bezug auf die Flüchtlingszahlen: 2013 lebten 225 Geflüchtete in der Stadt Teltow, 2016 waren es 609 Menschen und jetzt würden 172 Geflüchtete in Teltow leben – eine fallende Tendenz. Diese Aussagen nutzte Thomas Schmidt, um auf ein bestehendes Problem aufmerksam zu machen, das im Laufe der Diskussion zu einem der inhaltlichen Schwerpunkte wurde: die Versorgung mit Wohnraum. Teltow sei stets voll vermietet und würde deshalb vor der Frage stehen, wie der Bedarf nach Wohnungen gedeckt werden könne und wie unter diesen Umständen Integration möglich sei. Zu dieser Herausforderung positionierte sich auch Stephan Ludwig, der klarstellte, dass dies eine Aufgabe der Länder für die kommenden Jahre sei. Er sei aber dennoch optimistisch bezüglich Einwanderung und bekräftigte seine Einstellung mit den Worten „Die Frage sollte nicht sein „Schaffen wir das?“, sondern viel mehr „Wie schaffen wir das?“ Denn dass wir es schaffen, da bin ich ganz zuversichtlich.“ Migration wirke laut Stephan Ludwig für große Teile der Bevölkerung wie ein Katalysator und würde Flüchtlinge als Projektionsebene ausnutzen. Auch ohne Migration sei der Wohnungsbau ein wichtiges Thema. Es wäre deshalb essentiell, sich nicht vor Migranten abzuschotten, sondern sich zukunftssichere soziale Sicherungssysteme und Wohnraumschaffung als Prioritäten zu setzen. Thomas Schmidt fügte hinzu, dass die Kommune den Wohnraum nicht schlagartig, sondern sukzessiv schaffen könne und diese Projekte Zeit bräuchten. Es gebe Finanzierungsprogramme für den sozialen Wohnungsbau und auch den Ansatz, mit dem Land Berlin in der Wohnungsfrage zusammenzuarbeiten. Durch die Bürokratiehürden in Deutschland wäre dies kein einfaches Unterfangen.

Spannungsfeld Bürokratie und Integration
Das Thema Bürokratie und Migration stieß in Teltow auf großen Diskussionsbedarf. Viele der Anwesenden sind als ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in ihrem Landkreis tätig und bekommen die Schwierigkeiten der Geflüchteten hautnah mit. Stephan Ludwig bestätigte die Aussagen der Bürger, dass die Berufs- und Ausbildungsanerkennung sehr kompliziert seien und auch die Rechtsvorschriften in der Industrie- und Handelskammer nicht auf Integration ausgelegt seien. Es hätte keine wesentlichen rechtlichen Änderungen gegeben und das, obwohl es seit drei Jahren einen akuten Fachkräftemangel gäbe. Der lange Weg, der mit großen Bürokratiehürden gespickt wäre, würde eine Integration in der deutschen Gesellschaft nicht vereinfachen. Oft würden Geflüchtete während ihrer laufenden Ausbildung abgeschoben werden. Brandenburg dürfe nicht wollen, dass Afghanen abgeschoben werden, wenn in Afghanistan noch immer Krieg herrsche. Junge Afghanen würden eine entsprechende Fachkräfteaussicht darstellen, deshalb fordert Stephan Ludwig, dass die konkreten Ausländerbehörden für die Bearbeitung der Abschiebung zuständig sein sollten und nicht das Land. Er führte die skandinavischen Länder auf, die eine bewusste Einwanderungspolitik verfolgen und Menschen integrieren würden. Der Grundgestus der Willkommenskultur sei nicht im Grundrecht abgebildet und bedürfe dahingehend eines intensiven gesellschaftlichen Diskurses. Reinhard Hönighaus fügte hinzu, dass der Arbeitsmarkt in den Herkunftsländern in vielen Bereichen zu klein für die eigenen Bewerber sei und diese deshalb nach Europa ziehen würden. Dies verlange nach einer geordneten Steuerung und Kontrolle, wer in die Europäische Union einreise.

Reform des Dublin-Abkommens und Umverteilungen
Pressesprecher der EU-Kommission, Reinhard Hönighaus, ging nach einer Frage aus dem Publikum auf die Problematik der Seenotrettung im europäischen Mittelmeer ein. Die Anzahl der vielen Opfer liege an den Booten, die nicht seetüchtig seien und der Schleuserkriminalität, die die Europäische Union konstant und in großen Teilen erfolgreich bekämpfe. Seit 2015 seien rund 700 000 Menschen aus dem Meer gerettet worden und mit der Bekämpfung der Schleuserkriminalität seien seit 2015 97 Prozent weniger Asylbewerber im östlichen Mittelmeer angekommen. Für die Flüchtlingsströme müssten legale Wege gefördert werden und die europäischen Mitgliedsstaaten müssten sich außerdem vermehrt mit den Ländern solidarisch zeigen, die durch ihre geografische Lage mit vielen Geflüchteten konfrontiert sind. Die EU sichere deshalb den betroffenen Ländern, wie Italien und Griechenland, technische Unterstützung zu und habe rund 32 000 Menschen in andere Mitgliedsstaaten umverteilt. Das Dublin-System bedürfe jedoch definitiv einer Reform und Neuerungen im Asylrecht sollen vor den Europawahlen im Mai 2019 abgeschlossen werden. Der Bürgerdialog in Teltow zeigte eine sehr positive und offene Grundeinstellung der Bürger und Bürgerinnen gegenüber den Geflüchteten in ihrer Stadt. Im Gespräch mit den Podiumsgästen sprachen sie über bürokratische Hürden, den Mangel an Wohnungen und die nötigen rechtlichen Reformen, die den Weg für eine erfolgreiche Integration ebnen würden.

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